In Teil 1 dieser Serie habe ich darüber geschrieben, was es bedeutet, dazuzugehören, ohne sich anpassen zu müssen. In Teil 2 ging es um die Suche nach Identität im Außen – und warum andere uns nie wirklich sagen können, wer wir sind. In Teil 3 habe ich die Frage gestellt, was passiert, wenn wir aufhören, um Erlaubnis zu fragen, und Kunst einfach machen.
Doch was passiert nach der Erkenntnis, dass „Ich bin Ich“?
Es gibt keine Fortsetzung von Das kleine Ich bin Ich. Kein Band 2, kein „Und dann?“ – die Geschichte endet mit der großen Erkenntnis:
„Aber natürlich gibt es mich! Ich bin Ich!“
Und dann?
Es ist fast wie in klassischen Märchen oder Disney-Filmen: Die Geschichte führt zur entscheidenden Erkenntnis, zum Happy End – und genau dort endet sie. Die Herausforderungen, die danach kommen, bleiben unbehandelt.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum viele von uns mit einer vagen Leerstelle zurückbleiben. Wer uns sagt, wer wir sind, sagt uns oft nicht, was wir dann damit machen sollen.
Wie könnte ein Band 2 von Das kleine Ich bin Ich aussehen?
Die nächste Herausforderung: Identität ist kein statischer Zustand
Die erste Erkenntnis – Ich bin Ich – ist eine Befreiung. Ein Bruch mit der Unsicherheit. Aber sie ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang.
Denn Identität ist kein fixer Punkt. Sie verändert sich, wächst, passt sich an, bricht wieder auseinander.
Was wäre, wenn das kleine Ich bin Ich irgendwann merkt:
- Ich bin Ich – aber was bedeutet das in einer Welt, die sich ständig verändert?
- Ich bin Ich – aber wer bin ich in Gemeinschaft mit anderen?
- Ich bin Ich – aber was, wenn ich mich irgendwann selbst infrage stelle?
Identität ist keine abgeschlossene Erkenntnis. Sie ist ein Prozess.
Fünf mögliche Fortsetzungen – Wie könnte Band 2 aussehen?
Welche Herausforderungen könnten nach der großen Erkenntnis kommen? Welche Themen könnten eine Fortsetzung sinnvoll machen? Hier sind fünf verschiedene Möglichkeiten – inspiriert von existierenden literarischen Motiven, aber neu gedacht.
1. „Ich bin Ich – aber wo gehöre ich hin?“ (Die Reise nach Zugehörigkeit)
Nach der großen Erkenntnis beginnt das kleine Ich bin Ich, seine Identität in der Welt zu testen. Es weiß jetzt, dass es existiert – aber wo gehört es hin?
- Es sucht nach Gleichgesinnten, anderen „Ich bin Ichs“.
- Es probiert verschiedene Rollen aus: Ist es eine Anführerin? Eine Künstlerin? Eine Abenteurerin?
- Es merkt, dass es manchmal seine Identität anpassen muss, um in einer Gruppe zu funktionieren – doch wie viel Anpassung ist zu viel?
➡️ Inspiriert von Momo (Michael Ende) – die Suche nach einer Gemeinschaft, die einen so akzeptiert, wie man ist.
2. „Ich bin Ich – aber was passiert, wenn ich mich verändere?“ (Das innere Dilemma)
Eines Tages merkt das kleine Ich bin Ich, dass es sich nicht mehr ganz so fühlt wie früher. Seine Farben sind anders, seine Muster verschieben sich.
- Es bekommt Angst, seine Identität zu verlieren.
- Andere sagen: „Früher warst du doch anders!“
- Es kämpft mit der Unsicherheit, ob Veränderung etwas Schlechtes ist oder ein natürlicher Prozess.
➡️ Inspiriert von Der Golem (Gustav Meyrink) – die Frage, was Identität ist, wenn sie sich wandelt.
3. „Ich bin Ich – aber was, wenn niemand mich sieht?“ (Die Unsichtbarkeit der Existenz)
Trotz seiner Erkenntnis fühlt sich das kleine Ich bin Ich oft unsichtbar.
- Es weiß, dass es existiert – aber niemand schenkt ihm Beachtung.
- Es fragt sich, ob Sichtbarkeit wichtig ist, um wirklich da zu sein.
- Es experimentiert: Muss es lauter sein? Anders sein? Oder reicht es, einfach nur zu sein?
➡️ Inspiriert von Die Stadt der träumenden Bücher (Walter Moers) – die Idee, dass es nicht nur um die Existenz geht, sondern um Ausdruck und Wahrnehmung.
4. „Ich bin Ich – aber kann es ein Wir geben?“ (Identität in der Beziehung zu anderen)
Nachdem das kleine Ich bin Ich seine eigene Identität gefunden hat, trifft es andere, die ebenfalls einzigartig sind.
- Es merkt, dass Identität nicht nur in Abgrenzung, sondern auch in Verbindung entsteht.
- Aber wie kann es ein starkes „Ich“ sein, ohne sich in einem „Wir“ zu verlieren?
- Die große Frage: Ist Individualität wichtiger als Zugehörigkeit – oder braucht es beides?
➡️ Inspiriert von Die unendliche Geschichte (Michael Ende) – die Balance zwischen Selbst und Gemeinschaft.
5. „Ich bin Ich – und jetzt?“ (Die radikale Freiheit)
Das kleine Ich bin Ich steht eines Tages vor einer riesigen, offenen Welt. Keine Fragen mehr. Keine Unsicherheiten. Es kann tun, was es will.
- Aber was fängt es mit dieser Freiheit an?
- Ohne Regeln und Strukturen kann es alles sein – aber ist das nicht auch überwältigend?
- Es sucht nach einer Antwort auf die Frage: Wenn alles möglich ist – was will ich dann wirklich?
➡️ Inspiriert von Der kleine Prinz (Antoine de Saint-Exupéry) – die Auseinandersetzung mit Sinn und Selbstbestimmung.
Welche Geschichte würde dich am meisten interessieren?
Jede dieser Fortsetzungen könnte ein eigenes Band 2 sein.
Aber vielleicht ist das genau die Magie von Das kleine Ich bin Ich: Es lässt die Zukunft offen.
Es gibt uns keine vorgefertigte Antwort, sondern die Möglichkeit, selbst weiterzudenken.
Und vielleicht ist das „Und dann?“ nicht die entscheidende Frage.
Vielleicht geht es immer darum:
„Und jetzt?“
Lobe, M., & Weigl, S. (1972). Das kleine Ich bin Ich. Jungbrunnen.