In Teil 1 dieser Blogserie habe ich darüber geschrieben, was es bedeutet, dazuzugehören, ohne sich anpassen zu müssen. In Teil 2 ging es um die Suche nach Identität im Außen – und warum andere uns nie wirklich sagen können, wer wir sind.
Doch was passiert, wenn wir als Künstler:innen und Kreative aufhören, im Außen nach Antworten zu suchen?
Es gibt einen Moment in Das kleine Ich bin Ich, der alles verändert. Einen Moment, in dem die Verzweiflung auf dem Höhepunkt ist.
Das kleine bunte Wesen ist erschöpft. Es hat gefragt, verglichen, sich an äußeren Kategorien abgearbeitet. Und dann kommt der Moment der Stille. Kein neuer Versuch, keine weitere Analyse. Nur eine Erkenntnis, aus dem Nichts:
„Aber natürlich gibt es mich! Ich bin Ich!“
Es ist dieser Moment, der mich als Künstlerin besonders beschäftigt. Denn was passiert, wenn wir aufhören, uns von außen sagen zu lassen, was richtig ist? Was passiert, wenn wir aufhören, uns über Regeln, Bestätigung oder äußere Strukturen zu definieren?
Was passiert, wenn wir Kunst ohne Erlaubnis machen?
Die Unsicherheit des freien Schaffens
Kunst ist Freiheit. Und doch ist sie oft mit Unsicherheit behaftet.
Gerade als autodidaktische Künstlerin kenne ich das Gefühl, nicht „genug“ zu sein. Kein Studium, keine offizielle Ausbildung – also auch keine äußere Instanz, die mir bestätigt, dass ich es „richtig“ mache.
Diese Unsicherheit ist nicht nur individuell. Sie ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Der Glaube, dass es einen richtigen Weg gibt. Eine Methode, eine Technik, eine Meisterschaft, die von anderen validiert werden muss.
Doch wer soll mir eigentlich sagen, ob das, was ich mache, „gut“ oder „schlecht“ ist?
Wenn ich ein Bild male – wer außer mir entscheidet, ob Blau und Rot zusammenpassen oder nicht?
Die Prägung der äußeren Stimmen
Ich erinnere mich an den Kindergarten. Mein Lieblingsstift war der doppelte Blau-Rot-Stift. Ich liebte diese Kombination. Sie war für mich selbstverständlich, harmonisch.
Aber meine Kindergärtnerin sagte:
„Blau und Rot passen nicht zusammen.“
Ich weiß noch, wie irritiert ich war. Warum nicht? Für mich passte es doch. Aber da war eine Autoritätsperson, die mir sagte, dass meine Wahrnehmung nicht korrekt war.
Solche Momente hinterlassen Spuren. Sie prägen uns, manchmal subtil, manchmal massiv. Wir lernen, dass es „richtige“ und „falsche“ Entscheidungen gibt. Dass bestimmte Kombinationen gehen – und andere nicht.
Und genau da setzt Kunst an.
Kunst beginnt da, wo Regeln aufhören
Je kreativer wir sind, desto mehr um die Ecke denken wir.
Künstlerisches Schaffen bedeutet nicht, blind gegen Regeln zu arbeiten – aber es bedeutet, sie bewusst zu hinterfragen. Was passiert, wenn wir Materialien nicht so verwenden, wie es die Verpackung vorgibt? Was passiert, wenn wir Komplementärfarben ignorieren? Was passiert, wenn wir die Dinge nicht so machen, wie es „gelehrt“ wird?
In Wahrheit liegt genau dort das Potenzial für Neues.
Kunst ist kein Handbuch. Sie ist ein Raum, in dem alles möglich ist.
Doch dieser Raum ist beängstigend. Denn wenn wir keine äußere Erlaubnis mehr brauchen, gibt es auch niemanden mehr, der sagt:
„Gut gemacht!“
Das ist der Punkt, an dem viele Künstler:innen zögern.
Denn wenn niemand da ist, der unsere Entscheidungen bewertet – was bleibt dann?
Es bleibt nur unser eigenes Empfinden. Unser eigenes Urteil.
Und das ist schwer auszuhalten.
Wir sind gewohnt, uns an anderen zu messen. An Techniken, an Stilen, an Trends. Wir wollen wissen, ob das, was wir tun, Bestand hat.
Doch was wäre, wenn wir uns erlauben, einfach zu tun?
Schöpfen aus Fülle, nicht aus Mangel
Unsicherheit kommt oft aus einem Gefühl des Mangels.
Nicht genug Technik, nicht genug Wissen, nicht genug Talent.
Aber was wäre, wenn wir stattdessen aus Fülle schöpfen?
Statt zu denken:
„Ich bin keine ausgebildete Künstlerin, also fehlt mir etwas,“
einfach sagen:
„Ich bin Künstlerin, also mache ich Kunst.“
Statt zu fragen:
„Darf ich das?“
einfach tun.
Statt uns mit anderen zu vergleichen,
einfach mit uns selbst arbeiten.
Die wahre Freiheit liegt im Tun
Wenn wir aufhören, im Außen nach Bestätigung zu suchen, passiert Folgendes:
- Wir hören auf, uns selbst kleinzumachen.
- Wir erlauben uns, anders zu sein.
- Wir vertrauen unserer Intuition.
- Wir machen Kunst, die aus uns selbst kommt – nicht aus äußeren Erwartungen.
Das kleine Ich bin Ich musste keinen neuen Namen finden. Es musste sich nicht anpassen, um akzeptiert zu werden. Es musste nur erkennen, dass es existiert.
Und genau das gilt für künstlerisches Schaffen.
Deine Kunst existiert.
Du musst sie nicht erklären.
Du musst sie nicht rechtfertigen.
Du musst sie nur machen.
Ohne Erlaubnis.
Literaturhinweis: Lobe, M., & Weigl, S. (1972). Das kleine Ich bin Ich. Jungbrunnen.
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