Das Nichts und die Künstliche Intelligenz

Kunst ist auch das, was fehlt.

Mein Projekt 30 Days of Absence as a Sign of Presence arbeitet mit und gegen generative Künstliche Intelligenz. Es ist eine Erforschung dessen, was bleibt, wenn etwas fehlt – in Bild, Klang, Text und Reflexion.

KI ist hier kein bloßes Werkzeug, sondern eine Denkbewegung, eine Art Spiegel, der die Fragen zurückwirft, die ich ihm stelle. Ein Algorithmus, der nur das reproduzieren kann, was schon existiert – und doch in den Lücken zwischen den Daten halluziniert.

Was bedeutet es, wenn KI Kunst erschafft, die es nie gab? Was bedeutet es, wenn sie Stille füllt, weil sie keine Leere zulassen kann?

Wie KI in meinem Projekt eingesetzt wird

Mein Projekt ist in vielen Aspekten eine Kollaboration mit generativer KI:

  • Visuelle Kunst – Bilder, Videos, Animationen
  • Ideenfindung & Konzeptentwicklung – ein dialogischer Denkraum
  • Eigene Fragen & Zweifel – KI als Reflexionsfläche
  • Storyboarding & Entwürfe – von groben Skizzen bis zu finalen Kompositionen
  • Textgenerierung & Korrektur – vom ersten Gedanken bis zur Überarbeitung
  • Recherche & Basisinformationen – als Ausgangspunkt für weiterführende Fragen
  • Unterstützung bei der Erstellung meiner neuen Homepage
  • Begleitende Social-Media-Posts – als Teil des kreativen Prozesses

KI ist in diesem Projekt nicht einfach ein Mittel zur Bildgenerierung – sie ist eine methodische Erweiterung.

KI und das Paradox des Nichts

Ein Leerzeichen in einem Prompt scheint bedeutungslos – bis es den gesamten Sinn verändert.

In der Informatik ist „Nichts“ nie einfach nichts. Eine Null im Code kann über Funktion oder Absturz entscheiden. Eine Leerstelle in einer Datenbank kann eine bewusste Absenz oder ein Fehler sein. Auch generative KI kennt kein wahres Nichts – nur die Simulation davon.

Sie „halluziniert“, wenn Daten fehlen. Sie füllt Pixel, wenn sie Leere nicht zulassen kann. So entstehen Geisterhände in Bildern, wabernde Schatten in Videos, surreale Lücken in Sprache. KI kann keine wahre Leere erzeugen – sie kann nur interpretieren, was ihr fehlt.

Doch hier liegt ein weitverbreiteter Mythos: KI ist keine bloße Collage-Maschine. Sie rekombiniert nicht einfach nur Bestehendes, sondern erschafft durch statistische Mustererkennung neue Variationen. Sie lernt, entdeckt unerwartete Zusammenhänge und generiert Inhalte, die so noch nicht existierten – basierend auf Wahrscheinlichkeiten, aber mit einem kreativen Spielraum.

Halluzinationen | midjourney 2025

ABER:

Ein Album des Schweigens – Copyright & Kontrolle

Das Musikalbum Is This What We Want? ist eine fast lautlose Protestaktion gegen die geplante Schwächung des Urheberrechts in Großbritannien. 1.000 Musiker:innen, darunter Kate Bush, Annie Lennox und Damon Albarn, haben sich beteiligt. Doch zu hören ist: Nichts.

Link zu Spotify

Die Tracks bestehen aus Aufnahmen leerer Studios und Bühnen. Eine Absenz als Warnung: Wenn Künstler:innen ihrer Kontrolle beraubt werden, bleibt nur Stille.

Der Titel der 12 Tracks bildet einen Satz:
„The British government must not legalize music theft to benefit AI companies.“

Ein Experiment mit Abwesenheit als Präsenz. Eine verständliche und notwendige Protestaktion gegen unerlaubte und unbezahlte Datensammlung und -nutzung. Ein Nichts, das nicht leer ist, sondern spricht.

Warum ich nicht technikverliebt bin

Ich selbst nutze KI nicht als bloße Optimierung, sondern als künstlerische Reibung. Ich stelle mich der Frage: Was passiert mit Kunst, wenn sie sich selbst zu fehlen beginnt?

Denn jede Form von KI-Kunst – egal ob Bild, Musik oder Text – steht auf den Schultern von Werken, die vorher existierten. Doch wer behält die Kontrolle darüber?

Viele KI-Modelle wurden mit Millionen von Werken trainiert – ohne die Zustimmung der Künstler:innen.

KI ist nicht nur ein Spiegel bestehender Werke – sie ist eine evolutionäre Maschine, die kreative Logiken nachahmt und neue Abzweigungen findet. Doch genau deshalb ist es essenziell, die ethischen und rechtlichen Fragen zu stellen.

Ich glaube nicht an einfache Antworten. Aber ich glaube daran, dass Kunst sich diesen Fragen stellen muss.

Ich nutze KI, weil ich mich einmische!

Das Nichts ist kein Fehlen. Es ist eine Wahl.

30 Days of Absence as a Sign of Presence ist ein künstlerisches Statement in motion.

Es ist ein Raum zwischen Datenpunkten.
Es ist ein Experiment mit digitaler Stille.
Es ist ein Nichts, das etwas erschafft.