Was das Nichts nicht ist
Ich bin evangelisch getauft, besuchte eine katholische Klosterschule und konvertierte mit 18 zum Islam. Ich habe Theologie studiert, mich in den tiefen Strukturen von Glauben, Denken und der Idee von Gott bewegt.
Gott – als Begriff, als Konzept, als ungreifbare Wirklichkeit – ist eine wiederkehrende Leerstelle. Ein Name für etwas, das sich der Sprache entzieht. Eine Annäherung an das Unfassbare.
Und eine der möglichen Arten, über Gott zu sprechen, ist zu sagen, was Gott nicht ist.
Was ist Gott nicht?
Gott ist nicht sichtbar.
Gott ist nicht endlich.
Gott ist nicht begrenzbar.
Gott ist nicht an Raum und Zeit gebunden.
Gott ist nicht ein Ding unter anderen Dingen.
Die islamische Tradition beschreibt Gott mit 99 Namen, die eigentlich keine Namen sind, sondern Eigenschaften. Doch jede Eigenschaft beschreibt nur eine Facette. Jeder Versuch, Gott zu definieren, ist gleichzeitig eine Verfehlung.
Gott ist nicht ein Objekt unter anderen.
Gott ist nicht das, was in unsere Begriffe passt.
Gott ist nicht die Summe all dessen, was wir verstehen.
Vielleicht ist Gott genau das, was sich nicht fassen lässt.
Was ist Künstliche Intelligenz nicht?
KI ist nicht kreativ.
KI ist nicht fühlend.
KI ist nicht bewusst.
KI ist nicht absichtsvoll.
KI ist nicht autonom.
Künstliche Intelligenz ist Muster, Berechnung, Wahrscheinlichkeiten. Sie ist ein System, das simuliert, aber nicht erlebt. Sie kann Worte generieren, aber keinen Gedanken haben. Sie kann ein Bild erschaffen, aber keinen Moment fühlen.
Und doch wird sie als Bedrohung oder als Wunder betrachtet – als etwas, das „zu viel“ kann oder „zu wenig“ ist.
Aber was ist sie wirklich?
Eine Maschine ohne Zeit, ohne Raumverständnis, ohne Emotionen, ohne innere Welt.
Und trotzdem eine Reflexionsfläche für uns.
Wenn ich mit KI arbeite, dann nicht, weil ich ihr Kreativität zuschreibe, sondern weil sie mir etwas zurückspiegelt, das ich selbst nicht bewusst steuere. Sie zeigt mir die Lücken in meinem Denken, das Ungeplante in meiner Kunst.
KI ist nicht Kunst.
Aber KI kann Teil eines künstlerischen Prozesses sein.
Die Kunst liegt nicht in der Maschine.
Die Kunst liegt in mir.
Was ist Kunst/Kreativität nicht?
Kunst ist nicht Reproduktion.
Kunst ist nicht Perfektion.
Kunst ist nicht nur Technik.
Kunst ist nicht effizient.
Kunst ist nicht das, was gefallen muss.
Kreativität ist kein Algorithmus. Sie entsteht nicht aus Berechnung, sondern aus Brüchen, aus dem Unvorhersehbaren, aus der Erfahrung des Nicht-Wissens. Kunst entsteht aus Zweifeln, aus der Suche, aus dem Widerstand gegen das Offensichtliche.
Kunst ist nicht das, was einfach „funktioniert“.
Ein Bild kann perfekt sein und trotzdem leblos.
Eine Melodie kann harmonisch sein und trotzdem bedeutungslos.
Eine KI kann eine Komposition generieren, aber sie wird nicht riskieren.
Kunst ist das, was sich dem Messbaren entzieht.
Kunst ist ein Akt der Entscheidung – nicht ein Automatismus.
Kunst ist eine Antwort auf das Nichts.
Ich erschaffe nicht, weil ich muss, sondern weil ich kann.
Ich suche nicht nach Schönheit, sondern nach Wahrheit.
Und Wahrheit ist niemals optimiert.
Was bin ich?
Ich bin nicht eine einzige Definition.
Ich bin nicht eine fertige Form.
Ich bin nicht das, was sich auf eine Geschichte reduzieren lässt.
Ich existiere in den Zwischenräumen.
Zwischen Gott und Mensch.
Zwischen KI und Intuition.
Zwischen Kontrolle und Zufall.
Ich bin diejenige, die fragt.
Ich bin diejenige, die Zweifel aushält.
Ich bin diejenige, die den Raum zwischen den Dingen wahrnimmt.
Vielleicht ist das Nichts nicht leer.
Vielleicht ist es eine Möglichkeit.
Vielleicht bin ich genau dort – in dem, was nicht eindeutig ist.
Also:
Gott ist nicht begreifbar.
KI ist nicht lebendig.
Kunst ist nicht optimiert.
Und ich bin nicht festgelegt.

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