Ein altes Logikrätsel zeigt, wie sehr wir mit dem Nichts jonglieren:
Nichts ist besser als ewiges Glück.
Ein Butterbrot ist besser als nichts.
Also ist ein Butterbrot besser als ewiges Glück.
Es ist theoretisch logisch, aber dieser scheinbar absurde Schluss entlarvt die Mehrdeutigkeit des Begriffs. Wir deuten das Nichts je nach Kontext anders.
Häufig verbinden wir es mit Angst, Mangel, Verlust. Die Abwesenheit von Etwas macht uns Sorgen.
Aber ist das Nichts wirklich das Fehlen von allem?
Das Nichts nichtet
Mit dem Satz „Das Nichts nichtet“ provozierte Martin Heidegger 1929 in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Freiburg, an der ich auch einige Semester studierte.
Auf den ersten Blick scheint dieser Ausspruch unsinnig – das Nichts tut Nichts, es nichtet nicht. Doch genau darin liegt der Reiz: Heidegger versucht sprachlich zu fassen, dass das Nichts eine eigenartige, kraftvolle Abwesenheit ist, die unser Sein durchdringt.
Im Wort Nichts selbst erkennt man dieses Sein:
n-ICH-ts
Und auch in Ab-WESEN-heit findet sich eine Art von Sein.
Oft verknüpfen wir das Nichts vorschnell mit einem Verb:
- nichts tun
- nichts haben
- nichts können
- nichts sein
- …
Es gibt sogar einen niederländischen Trend des „niksen„ – das bewusste Nichtstun. Einfach sitzen, an die Decke schauen, ohne Ziel. In einer Zeit, in der ständiges Tun als Tugend gilt, wirkt das radikal. Es verbindet Psychologie mit Alltagskultur: Nichts-Tun als bewusste Gegenbewegung.
Doch wie lässt sich das Nichts sonst noch greifen? Lässt es sich steigern? Nichtiger? Am nichtigsten? 😅 Gibt es wenig Nichts oder mehr Nichts? Gibt es ein schönes Nichts, ein hässliches? Ein lautes oder stilles Nichts?
Das Nichts ist ein Substantiv, ein Zustand. Aber ist es statisch oder formbar?

Fertigkeiten im Umgang mit dem Nichts
In einer Welt, die Leistung, Produktivität und Kompetenz betont, erscheint das Nichts als eine Art Störung. Doch wie begegnet man ihm ohne Erwartung? Welche Fähigkeiten braucht es, um das Nichts zu begreifen?
Das Denken des Nichts erfordert eine besondere Art von kognitiver Beweglichkeit. Es gibt keine klaren Antworten, keine festen Formen. Wer sich damit auseinandersetzt, braucht die Fähigkeit, das Unfassbare auszuhalten.
Und vergessen wir nicht die emotionale Ebene. Die Angst vor dem Nichts ist tief verwurzelt. Sie auszuhalten, ohne sie sofort mit Sinn oder Aktivität zu füllen, ist eine Herausforderung.
Das Nichts stellt uns vor Fragen, die sich nicht einfach beantworten lassen. Vielleicht ist es nicht nur die Abwesenheit von etwas. Vielleicht ist es ein Zustand, in den man eintreten kann, den man erforschen kann, ohne ihn sofort mit Bedeutung zu füllen.
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