Kunst ist kein Hintergrundgeräusch. Sie ist keine Dekoration, keine Antwort auf eine leere Wand, keine Strategie zur Optimierung von Aufmerksamkeit. Kunst ist eine Offenlegung. Ein Aufdecken dessen, was längst existiert, aber noch nicht gesehen wurde. Sie macht sichtbar, was im Rauschen des Alltäglichen übersehen wurde.
Die Absicht formt die Realität
Kunst entsteht nicht aus dem Nichts, sondern aus einem Bedürfnis. Aus einem Impuls, einer Frage, einer Wahrnehmung. Es gibt unzählige Gründe, warum Künstler:innen Kunst machen:
- Um Schönheit zu erschaffen.
- Um Protest zu formulieren.
- Um sich selbst zu erforschen.
- Um zu heilen oder zu verarbeiten.
- Um die Welt zu verstehen.
- Um zu spielen, zu experimentieren, zu träumen.
- Um nichts anderes zu tun, als das, was in ihnen drängt.
- Um sichtbar zu sein – oder um sich unsichtbar zu machen.
Jede dieser Intentionen hat ihre Berechtigung. Keine ist wertvoller als die andere. Keine muss sich rechtfertigen.
Ich persönlich brauche im Moment das Nichts, um meine Anwesenheit zu spüren. Das Fehlen von Ablenkung, von Funktion, von Erwartung.
Das Nichts ist mein Raum, um mich selbst wahrzunehmen – nicht als Künstlerin, die etwas produziert, sondern als ein Ich, das existiert.
Die Kunst des Seins statt des Verkaufens
In einer Welt, die Kunst oft auf ihre Vermarktbarkeit reduziert, verweigere ich mich momentan den klassischen Mechanismen. Ich erschaffe nicht, um einen Algorithmus zu bedienen, um einen Funnel zu füllen oder um Impact zu maximieren.
Ich erschaffe, weil ich muss. Weil Bilder, Fragen, Ideen durch mich hindurchfließen. Weil sie einen Raum verlangen – ob jemand sie sieht oder nicht, ist zweitrangig.
Strategien interessieren mich wenig. Sie sind oft Ablenkungen. Sie versprechen Kontrolle, wo keine ist, und schaffen Strukturen, die mehr blockieren als freisetzen.
Kreativität, echte Kreativität, hat eine eigene Logik, die sich nicht in Wachstumskurven oder Performance-Metriken fassen lässt. Sie gedeiht im Nicht-Wissen, im Prozess, in der reinen Notwendigkeit.
Ich selbst bin das Subjekt meines Interesses. Ich bin der Raum, den ich erkunde.
Doch das kollidiert oft mit einer „audience“, die bedient werden will, die gefüttert werden möchte, die erwartet, dass Kunst sich erklärt, dass sie einen Nutzen hat und pain points löst.
Was aber, wenn der wahre Wert darin liegt, sich dieser Logik zu entziehen?
Wann ist es genug?
Tag 2 war ein statisches Bild. Ein einzelner Moment, festgehalten in seiner stillen Existenz.

Jetzt, an Tag 12, bewegt es sich. Ich habe daraus ein Video erstellt:
Es ist subtil. Fast ein Nichts. Ein Bild, das sich verändert, animiert, mit Regengeräuschen unterlegt. Doch es wird nicht „mehr“, weil es sich bewegt oder weil es technisch aufwendiger geworden ist. Es wird mehr, weil die Absicht eine andere ist. Die Intention verändert alles. Aber ist es dadurch „mehr“?
Mehr für wen?
- Für das Auge, das auf Bewegung reagiert?
- Für den Algorithmus, der statische Bilder ignoriert?
- Für eine Welt, die glaubt, dass Dynamik Fortschritt bedeutet?
Für eine flüchtige Betrachtung vielleicht, für die Welt, die Bewegung mit Bedeutung verwechselt. Doch für mich? Für das, was ich ausdrücken will?
Ein Bild kann genug sein. Ein Video kann zu viel sein. Ein Geräusch kann das Ganze verändern – oder nichts bewirken.
Ich arbeite mit Medien, die Grenzen verschieben. Stille oder Klang. Bewegung oder Starre. Digital oder Analog.
Aber wo liegt die Schwelle? Wann wird ein Werk überladen, wann bleibt es leer? Wann dient eine Technik der Essenz, und wann wird sie zur Ablenkung?
Es gibt eine feine Linie zwischen Intensität und Überforderung, zwischen Reduktion und Banalität. Die Kunst besteht nicht nur darin, „Material“ hinzuzufügen, sondern auch darin, das Weglassen zu beherrschen.
Die Animation verleiht dem Bild eine neue Dimension. Doch ist es nicht einfach das Gleiche, nur in Bewegung? Ist der Klang eine Ergänzung – oder eine Manipulation?
Wann ist ein Werk vollständig? Vielleicht nie. Vielleicht immer nur in dem Moment, in dem es zum ersten Mal gesehen, gehört oder gespürt wird. Danach beginnt es, sich zu verändern – in den Augen der Betrachtenden, in ihrer Wahrnehmung.
Das erste Mal wirklich ich
Dieses 30-Tage-Projekt entfaltet sich langsam. Unbeirrt. Es wächst aus sich heraus, nicht aus äußeren Anforderungen.
Ich frage mich nicht, ob es genug Reichweite hat, ob es konvertiert, ob es jemanden interessiert.
Es existiert, weil es existieren muss.
Ich fülle MEIN Nichts.
Vielleicht ist dieses Projekt das erste Mal, dass ich vollständig in meiner eigenen Logik arbeite. Ohne Kompromiss. Ohne Rechtfertigung. Ein Experiment des reinen Ausdrucks.
Ich erschaffe nicht, um etwas zu füllen. Ich erschaffe, um das Nichts zu zeigen. Das, was längst da war. Das, was darauf gewartet hat, gesehen zu werden.
Und ob dich mein Nichts erreicht, kann ich weder steuern noch planen und schon gar nicht erwarten.
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