Ein Zug rollt.
Fünf Menschen.
Ein Hebel.
Eine Entscheidung.
Oder eben keine.
Das berühmte Trolley-Problem konfrontiert uns mit der bitteren Wahrheit, dass Nicht-Handeln genauso folgenschwer sein kann wie Handeln.
In der Ethik ist das ein Dilemma.
In der Kunst ein Resonanzraum.
In der KI ein Code..
Was, wenn Untätigkeit nicht neutral ist?
Was, wenn die Weigerung zu handeln, selbst eine Entscheidung ist – mit Schuld, Konsequenz, Verantwortung?
In der Kunst begegnet mir das oft:
Die Leerstelle im Bild. Die Pause im Klang.
Die nicht gesprochene Botschaft.
Sie alle wirken.
Sie tun.
Auch wenn sie nicht handeln.
Als Feministin kenne ich:
Wie oft wird weibliches Schweigen als Zustimmung gelesen?
Wie oft wird Passivität erwartet, eingeübt, internalisiert – und dann moralisch umgedeutet?
In mir lebt die Wut über das Wegsehen.
Die Erschöpfung des ständigen Eingreifens.
Und das stille Wissen:
Abwesenheit ist keine Abwesenheit.
Sie ist eine Form. Eine Entscheidung. Eine Handschrift.
In der Welt der Künstlichen Intelligenz wird das Nicht-Handeln zur drängenden Frage:
Darf ein selbst fahrendes Auto „nichts tun“?
Was, wenn es weiß, dass Menschen sterben könnten – und trotzdem nicht eingreift? Wer ist dann verantwortlich?
Und was passiert, wenn wir Menschen dieselbe Frage stellen?
In Rollenspielen.
In Ethik-Workshops.
In der Kunst.
Ein Bild, das nicht gemalt wird.
Ein Protest, der nicht stattfindet.
Ein Kind, das nicht verteidigt wird.
Ein Code, der nicht verändert wird.
Ich frage heute nicht nach einer Lösung des Trolley-Problems.
Ich frage nach der Abwesenheit einer Antwort.
Und wie sehr sie wirkt.
Was passiert, wenn wir nicht eingreifen – und das als Zeichen unserer Anwesenheit begreifen?
Wenn wir mit voller Präsenz stillhalten?
Oder bewusst nichts tun, damit Raum entsteht?
Tag 23.
Ich tue nichts.
Und das ist nicht nichts.

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