Warten auf…
Sie hängen dort, in den wARTe-Schauflächen an der Straßenbahnhaltestelle Kärntner Ring/Oper. Still, stumm, abwartend. Türkis, Rot, Beige – abstrakte Formen und Linien, eingefroren im Moment ihrer Entstehung. Man könnte meinen, sie hätten nichts anderes zu tun als einfach nur da zu sein. Die Blicke der Wartenden gleiten über sie hinweg. Sie werden wahrgenommen und gleichzeitig ignoriert Ein unsichtbares Dasein mitten in der Sichtbarkeit.

Ich frage mich, ob sie warten. Vielleicht warten sie auf eine Reaktion, auf Anerkennung, oder vielleicht auch nur auf das Ende ihres Aufenthalts in diesen engen Kästen aus Glas und Holz. So still und zugleich so laut in ihrer Präsenz, die niemand bemerkt.
Es erinnert mich an die Figuren von Beckett, an Wladimir und Estragon, die stundenlang auf Godot warten, in einem Zustand, der nichts ist und zugleich alles sein könnte. Sie warten, obwohl sie nicht einmal wissen, worauf genau. Ein zielloses, quälendes Warten, das nach außen still wirkt, aber innen vor Lautstärke fast zerreißt.
Könnte es sein, dass diese Farben genau so fühlen? Dass Türkis schreien möchte, Rot in Bewegung geraten will und Grün darauf wartet, endlich etwas zu bedeuten? Können Farben überhaupt warten? Können abstrakte Formen Sehnsucht verspüren oder Frustration ertragen?
Manchmal glaube ich, sie sind kurz davor, die Grenze ihrer Stille zu überschreiten. Dass sie nicht länger aushalten, nur „Nichts“ zu sein – leere Präsenz, bloße Farbe, abstrakte Form. Sie wirken, als würden sie kurz vor einer Explosion stehen. Eine Explosion, die niemand sehen oder hören wird, außer vielleicht jene, die ganz genau hinschauen.
Heute habe ich ihnen diesen Moment geschenkt. Einen Impuls der Bewegung, animiert durch KI. Kaum sichtbar zuerst, aber dann beginnen die Linien sich zu regen. Blau sprüht auf, Rot explodiert. Eine kleine Revolution aus Farbe und Form, die sich von innen nach außen ausbreitet. Ein Moment, der zeigt, dass sie nicht nur warten, sondern leben – wenn auch nur für einen flüchtigen Augenblick.

Und dann frage ich mich: War ihr Warten wirklich „Nichts“? War die Stille tatsächlich leer? Vielleicht war sie gefüllt mit allem, was möglich ist. Mit Möglichkeiten, Träumen, Hoffnungen und Unmut. Eine Spannung, die erst sichtbar wird, wenn wir zulassen, dass das „Nichts“ zu sprechen beginnt.
Die Straßenbahn kommt und geht, Menschen steigen ein und aus, bemerken kaum, dass das Blau heute explodiert ist. Doch ich habe es gesehen. Eine stille Explosion inmitten des Wartens.
Vielleicht müssen wir nur öfter hinschauen. Denn wer weiß, ob nicht auch in uns selbst Farben darauf warten, endlich laut zu werden.
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